Heutzutage, so habe ich das Gefühl, will jeder einen Hund. Aber Verantwortung übernehmen, führen und vor allem auch mal Grenzen setzten, das will kaum einer. Stattdessen wird versucht, alles mit Liebe und Verständnis zu lösen und dabei wird das Wesen Hund leider vollkommen missverstanden.

Erziehung soll bitte „zwangfrei“ und „rein positiv“ sein. Damit wirbt auch gerne die „modern Hundeschule“. Dass diese Begriffe nur ein Marketing-Trick sind, merkt kaum einer. Allein die Tatsache, dass ich meinem Hund ein Halsband anlege und womöglich noch eine Leine dran mache, ist Zwang. Auch der Gartenzaun stelle einen Zwang dar – denn wenn Bello entscheiden dürfte, wäre der sicherlich nicht da und er könnte die Gegend etwas weiter als nur bis zur Grundstücksgrenze erkunden. Und was machen denn die „rein positiv Vertreter“, wenn der Hund sich auf „sitz“ nicht hinsetzt? Sie geben ihm kein Leckerli – eine angenehme Konsequenz (Futter) wird verwehrt. Und hätte er in der Hundetrainer-Ausbildung, sofern er überhaupt eine gemacht hat, aufgepasst oder sich wenigstens sonst ein bisschen mit operanter Konditionierung beschäftigt, wüsste der „Positiv Trainer“, dass genau das NEGATIVE Strafe ist.

„Zwangfrei“ und „rein positiv“ gibt es also schlicht und ergreifend gar nicht! Und das ist auch gar nicht schlimm! Denn was heutzutage leider oft falsch verstanden wird ist, dass Zwang nicht das gleiche wie Gewalt ist. Und auch ein bisschen „Negativ“ – richtig, vernünftig und in Maßen angewandt – dem Hund nicht schadet. Im Gegenteil: Hunde sind dankbar, wenn sie auch mal Grenzen gesetzt bekommen. Sie wollen und brauchen Klarheit. Sie wollen und brauchen jemanden, der für sie Entscheidungen trifft und weiß, was diese Entscheidung bedeutet. Denn der Hund weiß nicht, dass wenn er dem Hasen über die Bundesstraße nachjagt, er den Kampf gegen den LKW verliert. Und deshalb braucht er auch jemanden, der die Entscheidung (in diesem Fall „du rennst nicht über die Bundesstraße, sondern kommst zurück“) durchsetzt. Und zwar ohne vorher jedes Mal aufs Neue zu zögern, eine Diskussion zu führen oder zu bestechen zu versuchen. Er braucht jemand, der ihm klar und verständlich erklärt, was ok ist und was nicht. Das macht das Leben des Hundes nicht nur sicherer – dem Hasen nicht über die Bundesstraße nach zu hetzen rettet nämlich im Zweifel sein Leben – sondern auch stressfreier – denn wenn wer klar verstanden hat, dass er z.B. auf „hier“ zurück zu Herrchen oder Frauchen kommen muss, muss er gar nicht erst selbst Abwägungen treffen und entscheiden, sondern kann entspannt mit seinem Menschen durchs Leben gehen. Sein Mensch regelt die Dinge schon für ihn… Und ja, das verlangt von dem Menschen Führungsqualität.

Leider verwechseln die meisten Menschen heutzutage Führungsqualität mit Härte oder haben Angst, dass Bello sie nicht mehr lieben könnte, wenn sie mal konsequent führen. Die meisten Hunde brauchen aber weder einen militärischen Drill noch eine Disney Welt. Und deshalb finde ich, ist es die Pflicht eines jeden Hundehalters, seinem Hund die Führung zu geben, die er braucht. Und das bedeutet in den meisten Fällen eben auch, dass der Hundehalter an sich arbeiten muss – auch wenn es unbequem sein mag. Dass er lernt was der Unterschied zwischen Gewalt und Durchsetzungskraft ist, dass Konsequenz nichts mit unfairer Strenge zu tun hat und eben auch, wie er seinem Hund fair und für den Hund verständlich Grenzen setzt. Und ja, es kann sein, dass Dein Hund Dir dabei auch mal für einen Tag „beleidigt“ ist. Aber er braucht einen Menschen an seiner Seite, der auch das mal ertragen kann. Du kannst Deinen Hund nicht sein Leben lang vor jeglichem Stress und jeglicher Frustration bewahren. Und das ist auch nicht schlimm – Hunde erlernen Frustrationstoleranz ganz großartig und passen sich an. Der Einzige, der ihnen hierbei in der Regel im Weg steht, ist ihr Mensch. Dass er es meist nur gut meint und nicht erkennt, dass er das Leben seines Lieblings dadurch nur stressiger und zum Teil auch gefährlicher macht, hilft unseren Hunden nur leider nicht…