Jetzt im März / April geht sie wieder los, die Brut- und Setzzeit (wann genau, hängt vom jeweiligen Bundesland ab). Das bedeutet, dass unsere Wildtiere Nachwuchs bekommen, der in den nächsten Wochen und Monaten heranwächst. In einigen Bundesländern herrscht während der Brut- und Setzzeit eine gesetzliche Leinenpflicht – bei uns in Bayern aber z.B. nicht. Grundsätzlich finde ich es – obwohl selbst Jäger – gut, dass es bei uns keine gesetzliche Leinenpflicht in dieser Zeit gibt. Denn ich bin der Meinung, ein Hund muss auch mal freilaufen können. ABER: das geht eben nur, wenn er auch gehorsam ist!!! Wir Hundehalter sind also ohne gesetzliche Leinenpflicht mehr in der Verantwortung wirklich objektiv zu beurteilen, ob unser Hund sich tatsächlich zuverlässig vom Jagen abhalten lässt (sei es durch einen Rückruf oder ein Abbruchsignal) – und zwar nicht nur in der Brut- und Setzzeit, sondern das ganze Jahr über, wenn wir wo sind, wo es Wildtiere gibt. Und hier, das muss ich leider immer wieder feststellen, scheitert es in den meisten Fällen. Gefühlt glaubt fast jeder, dass sein Hund „folgt“ oder „nicht jagt“. In der Realität würde ich allerdings sagen, dass 90-95 Prozent der Hunde spätestens nicht mehr folgen, wenn es um das Thema Jagd geht. Sie sind nicht Wild-gehorsam, wie es in der Fachsprache heißt. Deshalb verstehe ich auch all die Jäger und auch sonstigen, meist Nicht-Hunde-Besitzer, die schimpfen, wenn Hunde – insbesondere zur Brut- und Setzzeit – frei herumlaufen. Auf der anderen Seite ärgert es mich für die Hundebesitzer, die viel Zeit und Mühe und meistens auch Geld investiert haben, damit ihre Hunde wildgehorsam sind, wenn sie mit all den anderen in einen Topf geworfen werden…

Oft sehe ich Hunde durchs Unterholz stöbern. Die meisten Hundebesitzer glauben dann ihr Hund schnuppert nur – tatsächlich hat er aber i.d.R. bereits zu jagen begonnen. Denn Jagen ist eine Verhaltenskette. Sie beginnt mit dem sogenannten ungerichteten Appetenzverhalten, gefolgt, wenn sie komplett ausgelebt wird, von dem gerichteten Appetenzverhalten, dem Fixieren, dem Anpirschen, dem Hetzen, dem Packen, dem Töten und letztlich dem Fressen der Beute. Ungerichtetes Appetenzverhalten bedeutet, dass unsere Hunde sich aktiv auf die Suche nach Wild (bzw. erst mal einer Spur oder Fährte) machen und dieses in der Umgebung zu orten versuchen. (Beim gerichteten Appetenzverhalten haben sie bereits eine Spur oder Fährte aufgenommen und verfolgen diese.) So gut wie alle Hunde, die „nur im Unterholz schnuppern“ befinden sich bereits in diesem ungerichteten Appetenzverhalten – haben also das erste Glied der Jagdkette in Gang gesetzt. Bereits in diesem Stadium ist es vielen Hundebesitzern nicht mehr möglich ihren Vierbeiner zuverlässig abzurufen – und je weiter die Verhaltenskette fortschreitet, um so schwieriger wird es. Und glaubt mir, wenn man einen Hund lange genug im Unterholz lässt, wird er früher oder später auf eine Spur oder Fährte stoßen…

Oft höre ich auch, „naja, aber er würde ja nie ein Wildtier erwischen“ oder „naja, aber er würde ja nie ein Wildtier reißen“. Auch hier schätzen leider viele Hundebesitzer ihren Hund falsch ein. Die meisten Hunde würden bei der passenden Beute greifen, wenn sie die Möglichkeit dazu haben – Jagen ist ein Urinstinkt unserer Hunde, das vergessen viele gern. Dazu kommt, dass ein Wildtier nicht unbedingt von einem Hund gerissen/gegriffen werden muss, um in Lebensgefahr zu kommen. Wenn ein Hund z.B. ein Reh hetzt, gerät es i.d.R. in Panik und läuft vielleicht vor ein Auto oder verfängt sich in einem Zaun. Insbesondere in den Wintermonaten kann es auch ausreichen, dass das Reh- oder Rotwild aus seinem Wintermodus (der Organismus fährt hier auf bis zu 30 % zurück) gerissen wird und über eine kurze Strecke flüchtet – denn dafür muss es seinen Organismus voll in Gang werfen und verbraucht bis der Organismus wieder im Wintermodus gebracht wurde ggf. so viel Kalorien, dass es diese aufgrund der im Winter nicht vorhandenen Nahrung nicht mehr auffüllen kann und letztlich verhungert. Und, ja, der Dackel Waldi würde vermutlich das Reh nicht erwischen, aber auch vor dem kann es erschrecken und flüchten und: was ist mit den Wildvögeln, die z.B. am Boden brüten? Unsere Bodenbrüter brüten i.d.R. im Unterholz oder auf Wiesen – selbst spielende Hunde können hierbei ausversehen über ein Nest rennen und schon war es das mit dem Nachwuchs für dieses Jahr. Auch wenn ein Hund nur um ein abgelegtes Kitz herumläuft, kann das ausreichen, dass die Mutter aufgrund des Hundegeruchs sich nicht mehr an das Kitz herantraut und es verhungert. Es gibt also sehr viele Szenen, in denen der Hund das Wild nicht greifen muss und es letztlich trotzdem aufgrund des Verhalten des Hundes (meist elend) verendet.

Deshalb appelliere ich an alle Hundebesitzer, mehr Achtsamkeit beim Thema Wild walten zu lassen. 1. Hunde haben nichts – weder zur Brut- und Setzzeit noch sonst wann – im Unterholz verloren – auch nicht, wenn sie gut folgen. Es gibt Waldwege und auch Hunde können lernen, diese auch im Freilauf zu benutzen. (Übrigens, auch Wanderer oder Skitourengeher haben nichts im Unterholz verloren.) 2. Wenn euer Hund im Freilauf nicht sicher in jeder Situation, also auch beim Jagen, abrufbar oder sonst irgendwie stopp-bar ist, hat er in Gebieten mit Wild nicht frei zu laufen – aus Respekt vor und zum Schutz unserer Wildtiere haben die Hundehalter dann auf die Leine zurückzugreifen. Es gibt Schlepp- und Flexileinen, so dass der Hund auch an der Leine einen gewissen Freiraum haben kann.

Und ja, auch einen sicheren Abruf am Wild können die meisten Hunde  erlernen – denn ob ein Hund zuverlässig abrufbar ist, auch wenn das Reh vor seiner Nase wedelt, ist nicht von der Gnade Gottes  abhängig sondern von der Erziehung. Viele Faktoren, wie etwa Genetik, Vorerfahrung, allgemeiner Gehorsam bestimmen hierbei, wieviel Arbeit es erfordert, seien Hund auch in Jagdsituationen gehorsam zu bekommen und wo die Grenzen liegen. Aber denkt bitte immer daran, Tierschutz hört nicht am Ende eurer Leine auf, sondern auch unsere Wildtier haben ein Recht darauf!